Durch den jährlich fortgeschriebenen Beschluss des EU-Fischereirats, gestützt auf wissenschaftliche Empfehlungen des International Council for the Exploration of the Sea (ICES), stehen wichtige Änderungen bei den Fangquoten für zentrale Ostsee-Arten wie Kabeljau (Dorsch) und Hering an. Offizielle Dokumente wie die Council Regulation (EU) 2022/2065 vom 27. Oktober 2022 regeln beispielsweise die Fangmöglichkeiten für 2023 in der Ostsee. Die darin festgelegten Quoten beeinflussen in besonderem Maße die Betriebe und Küstengemeinden in Mecklenburg-Vorpommern.
Hintergrund: Welche Vorschriften bestimmen die Fangquoten?
Die Fischereipolitik in der Europäischen Union basiert auf der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP), die unter anderem Fangmengen und technische Vorschriften zur Bewirtschaftung der Bestände regelt. Vor jeder Saison legen die EU-Fischereiminister auf Basis aktueller wissenschaftlicher Gutachten des ICES fest, welche Fangmöglichkeiten für die Ostsee gelten.
- ICES Advice: Jährlich veröffentlicht der ICES Empfehlungen zu verschiedenen Beständen. Für Kabeljau im westlichen Ostseebereich (sogenannter „Western Baltic Cod“) lag 2023 laut ICES Advice eine Empfehlung vor, die Fangmöglichkeit abermals deutlich zu begrenzen.
- EU-Fischereirat: Die Minister der Mitgliedstaaten verhandeln auf Grundlage dieser Gutachten und legen sodann die verbindlichen Gesamtfangmengen (Total Allowable Catches, TAC) und Quoten für jedes Land fest.
- Deutscher Anteil: Deutschland erhält einen Teil der Gesamtfangmenge, den das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) auf die einzelnen Bundesländer verteilt. Mecklenburg-Vorpommern, als wichtiger Standort der Ostseefischerei, hat so einen direkten Nutzen, aber auch Einschränkungen durch die EU-Vorgaben.
Die Council Regulation (EU) 2022/2065 setzt etwa die Höchstfangmengen für 2023 in der Ostsee fest. Daraus resultieren für Dorsch, Hering und weitere Arten restriktive Grenzen, die die Fischer an der Küste Mecklenburg-Vorpommerns unmittelbar betreffen.
Auswirkungen auf Fischer in Mecklenburg-Vorpommern
Die Beschlüsse des Fischereirats fallen für verschiedene Arten unterschiedlich aus. Aus Sicht vieler Küstenfischer in Mecklenburg-Vorpommern hat dabei besonders die Quote für Dorsch und Hering große Bedeutung:
- Dorsch (Kabeljau): Laut der genannten EU-Verordnung ist der westliche Ostseedorsch seit Jahren in einer angespannten Bestandssituation. Das ICES Advice rät zu einer geringen Fangmenge, um die Erholung zu unterstützen. Für die Fischer an der mecklenburgischen Ostseeküste bedeutet das streng begrenzte Ausfahrten und geringere Fangmengen.
- Hering: Auch beim westlichen Ostseehering legen die ICES-Daten einen Rückgang der Bestandsstärke nahe. Infolgedessen wurden die Fangmöglichkeiten 2023 reduziert. Darunter leiden in Mecklenburg-Vorpommern besonders Kleinfischer, die sich traditionell auf Hering spezialisiert haben.
- Fangstopps und Schonzeiten: Zusätzlich zu den Quoten können Saison-Schonungen hinzukommen, etwa für Laichzeiten. Das BMEL und die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) veröffentlichen hierzu regelmäßig aktuelle Termine, an denen bestimmte Fangmethoden eingeschränkt sind.
Diese Regelungen haben zur Folge, dass Fischer in Mecklenburg-Vorpommern teilweise erhebliche Umsatzeinbußen hinnehmen müssen, wenn ihnen die Hauptfangarten nur noch in geringen Mengen zur Verfügung stehen.
Kontroll- und Vollzugsmechanismen
Die Einhaltung der Fangquoten wird laut Bundesfischereigesetz und den Ausführungsbestimmungen der Landesbehörden überwacht. Kontrollschiffe und Inspektoren prüfen die Fänge auf Menge und Artzusammensetzung, um Verstöße gegen die EU-Verordnung frühzeitig zu erkennen.
- Elektronische Fangmeldungen: Viele Küstenfischer müssen Fangdaten digital erfassen und übermitteln. Das erleichtert den Behörden, den aktuellen Status der Quoten zu überwachen.
- Landungspflicht: Gemäß der Anlandeverpflichtung („Landing Obligation“) müssen bestimmte Beifänge mit angelandet werden, statt sie zurück ins Meer zu werfen. Das kann den wirtschaftlichen Wert des Fangs beeinflussen.
- Strafen bei Überfischung: Wenn ein Land oder eine Region seine Quote überschreitet, kann die EU im Folgejahr Kürzungen verhängen. Betriebliche Verstöße werden mit Bußgeldern und der Gefahr von Lizenzentzug geahndet.
In Mecklenburg-Vorpommern koordiniert das Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei (LALLF) gemeinsam mit Bundesbehörden den Vollzug. Damit soll sichergestellt werden, dass die vorgegebenen Limits eingehalten werden.
Begleitende Hilfen und Förderprogramme
Angesichts der teils drastischen Quotenreduzierungen bieten Bund und Land verschiedene Hilfspakete an. Informationen hierzu stellt beispielsweise das BMEL auf seiner Website bereit (z. B. Richtlinien für Entschädigungen bei Fangrückgängen). Mecklenburg-Vorpommern ergänzt diese Angebote durch eigene Förderprogramme:
- Investitionsförderung: Fischer und Kutterbesitzer können Zuschüsse beantragen, um ihre Ausrüstung zu modernisieren, Fanggeräte anzupassen oder Beifang zu reduzieren.
- Beratung und Umschulung: Das Land unterstützt Betriebe, die ihre Geschäftsmodelle diversifizieren, etwa durch Direktvermarktung oder touristische Angebote.
- Abwrackprämien: In seltenen Fällen erhalten Fischer für die Verschrottung älterer Boote finanzielle Unterstützung, wenn damit dauerhaft Kapazitäten vom Markt genommen werden.
Die konkreten Konditionen und Antragsfristen werden regelmäßig aktualisiert und sind online über das Landesportal Mecklenburg-Vorpommern oder das BMEL zugänglich.
Perspektiven für die Ostseefischerei
Die Lage in der Ostsee bleibt herausfordernd. Nach aktuellen ICES-Daten ist davon auszugehen, dass sich der westliche Ostseedorsch nur langsam erholt. Eine Stabilisierung der Bestände könnte allerdings eintreten, sofern die Fangdrücke weiter sinken und sich Umweltparameter, wie Temperatur und Sauerstoff, verbessern.
Mögliche Zukunftsszenarien:
- Umbau der Fangstrategien: Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern prüfen alternative Zielarten, um die Abhängigkeit von Dorsch und Hering zu verringern.
- Stärkere Kooperation: Zusammenschlüsse von Fischerfamilien, Einkaufs- und Vermarktungsgenossenschaften, um Kosten zu senken und höhere Gewinnmargen zu erzielen.
- Qualitätslabel: Regionale Marken sollen die Wertschöpfung erhöhen. Wenn weniger gefangen werden darf, lohnt sich der Verkauf hochwertiger Produkte an Kunden, die bereit sind, höhere Preise für nachhaltig gefangenen Fisch zu zahlen.
Fazit: Strenge Vorgaben als Balanceakt
Auf Basis der EU-Fischereiverordnungen und der wissenschaftlichen Ratschläge des ICES haben Mecklenburg-Vorpommerns Fischer derzeit nur eingeschränkte Fangmöglichkeiten für wichtige Ostseearten. Diese Einschränkungen, festgehalten in Rechtsakten wie der Council Regulation (EU) 2022/2065, sollen zur Erholung der Bestände beitragen.
Kurzfristig führen sie jedoch bei vielen Betrieben an der Küste zu wirtschaftlichen Einbußen. Das Land und der Bund versuchen, über Förder- und Umschulungsprogramme zu helfen, damit die regionale Fischereiwirtschaft eine Zukunft hat. Wie rasch sich die Bestände tatsächlich erholen und ob die Quotenkürzungen ausreichen, wird laut ICES- und BMEL-Angaben in den kommenden Jahren weiter zu beobachten sein.
Für Mecklenburg-Vorpommern steht somit viel auf dem Spiel: Die Ostseefischerei ist nicht nur ein Wirtschaftsfaktor, sondern auch Teil des maritimen Erbes und Tourismusmagnet. Eine nachhaltige Bewirtschaftung, die Quotenregelungen akzeptiert und gleichzeitig Wege für neue Geschäftsmodelle findet, bleibt daher die Kernherausforderung für alle Beteiligten in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.