Mecklenburg-Vorpommern hat am 1. Februar 2024 ein neues Öffnungszeitengesetz (ÖffZG M-V) eingeführt, das Einzelhändlern in touristischen Regionen erlaubt, an bis zu 30 Sonn- und Feiertagen pro Jahr zu öffnen. Die Gewerkschaft Verdi hat nun Klage gegen die Regelung angekündigt, während die Landesregierung die Maßnahme als notwendigen Schritt zur Stärkung des Tourismusstandorts verteidigt.
Bäderregelung wird durch ganzjährige Saisonöffnung ersetzt
Die bisherige Bäderregelung, die Ladenöffnungen in 64 Kur- und Tourismusorten von Mitte April bis Oktober erlaubte, wurde durch die Öffnungszeitenverordnung 2025 abgelöst. Diese gilt nun für 76 Gemeinden und Ortsteile, darunter:
- Welterbestädte (Stralsund, Wismar)
- Kur- und Erholungsorte (Binz, Kühlungsborn)
- Anerkannte Ausflugsziele (Mecklenburgische Seenplatte)
Laut Wirtschaftsministerium MV soll die Neuregelung die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Schleswig-Holstein stärken, wo ähnliche Öffnungszeiten bereits seit 2023 gelten.
Kernpunkte der neuen Verordnung
Die Verordnung sieht zwei Hauptöffnungsperioden vor:
- 15. März – 31. Oktober: Grundsaison mit Sonntagsöffnungen von 12:00–18:00 Uhr.
- 17. Dezember – 8. Januar: Winteröffnung für Weihnachtsmärkte und Neujahrstourismus.
Zulässige Waren:
- Lebensmittel, Bekleidung, Souvenirs
- Ausgeschlossen: Baumärkte, Möbelhäuser, Autohändler
Die maximale Öffnungsdauer pro Sonntag beträgt 6 Stunden, wobei die Hauptgottesdienstzeiten (10:00–12:00 Uhr) geschützt bleiben.
Gewerkschaft kritisiert „Systembruch“ – Kirche warnt vor Entweihung
Die Gewerkschaft Verdi argumentiert, die Ausweitung verletze das Arbeitszeitgesetz und das Gebot der Sonntagsruhe. Bert Stach, Handelsexperte bei Verdi Nord, erklärte im NDR-Interview: „Bisher waren 50 % der Sonntage betroffen, jetzt sind es 75 %. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis ist damit gekippt.“
Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland betont , dass das Verhältnis zwischen Regel und Ausnahme gewahrt bleiben müsse: „Hier sehen wir die neue Verordnung kritisch, insbesondere im Blick auf die zeitliche als auch auf räumliche Ausweitung“, so ein Sprecher im Nachrichtenmagazin „Stern“.
Wirtschaftsministerium: „Notwendig für fairen Wettbewerb“
Wirtschaftsminister Wolfgang Blank (parteilos) verteidigt die Reform: „Mit der neuen Regelung stärken wir das Tourismusland Mecklenburg-Vorpommern und sorgen für Chancengleichheit mit unseren Nachbarn an der Küste.“
Tatsächlich zeigen Daten des Statistischen Amts MV, dass 23 % der Gäste in MV-Küstenorten parallel Einkäufe in Schleswig-Holstein tätigen – insbesondere in Grenzstädten wie Lübeck.
Rechtliche Risiken: IHK warnt vor „Flickenteppich“
Die IHK zu Rostock kritisiert die komplexe Handhabung: Während Welterbestädte wie Stralsund 12 frei wählbare Sonntage nutzen können, gelten für Landkreise wie Vorpommern-Rügen feste Saisonzeiten. Ein Sprecher der IHK warnte im GründerMV-Interview: „Betriebe brauchen Planungssicherheit. Aktuell herrscht ein Flickenteppich aus Sonderregelungen.“
Historischer Kontext: Von der Bäderverkaufsverordnung zur Ganzjahressaison
Die erste Bäderregelung wurde 2008 eingeführt, um Tourismusorten begrenzte Sonntagsöffnungen zu ermöglichen. Ursprünglich auf 32 Orte beschränkt, wurde sie 2019 auf 64 Orte ausgeweitet.
Weitere Daten:
- 2019: Einführung der Winteröffnung für Weihnachtsmärkte.
- 2022: Verlängerung der Saison auf Mitte April – Oktober.
- 2024: ÖffZG M-V löst alte Regelung ab.
Verdi: Klageerhebung bis April 2025 erwartet
Verdi wird die Klage vor dem Landesarbeitsgericht Schwerin einreichen. Ein Erfolg könnte die Winteröffnung kippen, da das Gericht 2023 bereits eine ähnliche Regelung in Brandenburg für verfassungswidrig erklärte.
Gleichzeitig drängt die FDP-Fraktion im Landtag auf weitere Liberalisierung: Sie fordert, auch Baumärkte und Elektrofachhändler in die Regelung einzubeziehen.