Steigende Wassertemperaturen, veränderte Salzgehalte und eine zunehmende Nährstoffbelastung stellen für die Fischbestände in der Ostsee erhebliche Herausforderungen dar. Institutionen wie das Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) oder die Universität Rostock untersuchen regelmäßig, wie sich diese Entwicklungen auf zentrale Arten wie Hering und Dorsch auswirken. Dabei zeigen Berichte internationaler Organisationen wie dem International Council for the Exploration of the Sea (ICES) und der Helsinki-Kommission (HELCOM), dass sich der Klimawandel bereits jetzt im marinen Ökosystem der Ostsee bemerkbar macht.
Belastbare Erkenntnisse aus aktuellen Studien
Zahlreiche wissenschaftliche Publikationen befassen sich mit der Lage der Ostseefische im Kontext des Klimawandels. So dokumentiert der ICES Advice (veröffentlicht 2023) für den westlichen Ostseedorsch anhaltend niedrige Bestände. Ursächlich sind laut dem Bericht unter anderem erhöhte Wassertemperaturen und verringerte Salzgehalte, die den Fischen Stress bereiten und die Laichbedingungen beeinträchtigen.
In Ergänzung dazu verweist ein im Jahr 2022 von HELCOM publizierter Überblick („State of the Baltic Sea Report“) auf wachsende Probleme durch Nährstoffeinträge. Diese Einträge fördern die Eutrophierung, also eine übermäßige Algenbildung, die bei ihrem Abbau Sauerstoff bindet und sogenannte Todeszonen im Tiefenwasser begünstigt. Nach Angaben des IOW haben sich solche Sauerstoffarmut-Bereiche in Teilen der zentralen Ostsee in den letzten Dekaden vergrößert, was für empfindliche Fischarten ein erhebliches Risiko darstellt.
Anstieg der Wassertemperatur und Veränderungen beim Salzgehalt
Experten halten den Anstieg der Wassertemperaturen und die veränderte Salzgehalt-Dynamik für Schlüsselfaktoren. Laut HELCOM-Daten ist in den letzten Jahrzehnten ein messbarer Temperaturanstieg in der gesamten Ostsee verzeichnet worden. Dieser Trend beeinflusst das Nahrungsnetz:
- Laichzeiten verschieben sich: Bestimmte Arten wie der Hering sind auf kühles Wasser angewiesen, um den Laichprozess optimal abschließen zu können.
- Verschiebung von Lebensräumen: Wenn der Salzgehalt sinkt, geraten Dorschbestände unter Druck. Dieser Fisch bevorzugt eher salzhaltige Wasserschichten, um seinen Laich erfolgreich zu entwickeln.
- Neues Artenspektrum: Nach Angaben aus dem ICES Advice 2023 könnten wärmeliebende Arten (z. B. bestimmte Plattfische) ihren Bestand erweitern, was das etablierte Ökosystem und die traditionelle Fischerei vor Anpassungsprobleme stellt.
Auswirkungen der Nährstoffzufuhr auf Fischbestände
Die in Mecklenburg-Vorpommern ansässigen Forschungseinrichtungen befassen sich zudem mit dem Einfluss von Düngemittel-Auswaschungen und häuslichen Abwässern, die über Flüsse ins Meer gelangen. Laut HELCOM-Berichten tragen diese Nährstoffe zusammen mit steigenden Temperaturen zu Algenblüten bei, die im Bodennahbereich Sauerstoffarmut auslösen.
- Verlust von Laichplätzen: Fischarten, die flache Küstengebiete nutzen, finden bei zunehmender Eutrophierung oftmals nicht mehr die erforderlichen Sauerstoffwerte.
- Konkurrenz um Nahrung: Algenplagen beeinflussen das Nahrungsnetz; Zooplankton und Jungfische geraten unter Druck, wenn das Gleichgewicht kippt.
- Ausweitung der „Todeszonen“: In tieferen Bereichen der Ostsee kommt es zu Sauerstoffmangel, der sich laut wissenschaftlichen Messungen in den vergangenen Jahrzehnten verstärkt hat.
Perspektiven für das Management der Ostseefischerei
Um negative Auswirkungen des Klimawandels zu begrenzen, befürwortet unter anderem der ICES ein anpassungsfähiges Fischereimanagement. In Mecklenburg-Vorpommern spiegeln sich diese Empfehlungen in einigen aktuellen politischen und praktischen Maßnahmen wider:
- Reduzierte Fangmengen: Um Bestände zu schonen, passen die verantwortlichen Behörden die Fangquoten regelmäßig den wissenschaftlichen Erkenntnissen an.
- Gezielte Schutzzonen: Länder und EU-Instanzen prüfen, bestimmte Areale zeitweise für die Fischerei zu sperren, damit Laichgebiete sich erholen können.
- Umweltprogramme: Regionale Projekte zur Renaturierung von Mooren oder Feuchtgebieten sollen Nährstoffeinträge senken, was indirekt die Sauerstoffsituation in der Ostsee verbessert.
Nach Angaben des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt Mecklenburg-Vorpommern (Stand: 2023) wird zudem versucht, Aquakulturprojekte auszuweiten, um den Druck auf die Wildbestände zu verringern. Dabei konzentrieren sich einzelne Betriebe auf landbasierte Kreislaufsysteme, die eine kontrollierte Fischzucht ermöglichen und auf Klimaveränderungen weniger empfindlich reagieren.
Forschung und Praxis: Kooperative Lösungsansätze
In Mecklenburg-Vorpommern wurden mehrere Verbundprojekte initiiert, an denen Forscher, Fischer und Verwaltungen beteiligt sind. Im Vordergrund stehen dabei:
- Datenmonitoring: Wissenschaftliche Institute erfassen fortlaufend Temperatur- und Sauerstoffwerte in den Küstengewässern. Fischer stellen Fangdaten zur Verfügung, die das Vorkommen einzelner Arten dokumentieren.
- Beifangreduktion und selektive Fanggeräte: Um gestresste Bestände besser zu schonen, erproben Betriebe Netzkonstruktionen mit größeren Maschen.
- Bewusstseinsbildung: Öffentlichkeitsarbeit von Universitäten und Fachverbänden in Mecklenburg-Vorpommern soll Gemeinden, Touristen und Wirtschaftsakteure für den Klimawandel sensibilisieren.
Ausblick: Anpassung statt Resignation
Obwohl die Forschungsergebnisse teils alarmierende Trends aufzeigen, sehen Fachleute Handlungsspielraum. Sowohl ICES als auch HELCOM verweisen in ihren aktuellen Berichten darauf, dass eine strengere Regulierung der Fischerei und eine umfassende Reduzierung von Nährstoffeinträgen zu positiven Effekten führen könnten. In anderen Meeresgebieten seien bereits Bestände dank konsequenter Managementmaßnahmen wieder angewachsen.
In Mecklenburg-Vorpommern gilt deshalb der Kurs: Anpassung durch Wissenstransfer. Staatliche Stellen, wissenschaftliche Institute und die Fischereibetriebe selbst müssen eng kooperieren, damit traditionelle Arten wie Hering und Dorsch langfristig überleben können – trotz veränderter Umweltfaktoren.
Kurzfristig bleibt die Herausforderung jedoch groß: Die Einhaltung der wissenschaftlichen Empfehlungen führt bei einigen Betrieben zu wirtschaftlichen Einbußen. Gleichzeitig bergen steigende Temperaturen und anhaltende Eutrophierung das Risiko, dass sich ganze Fischpopulationen weiter in nördliche oder tiefere Gewässer zurückziehen.
Dennoch sehen Expertinnen und Experten Anlass zu vorsichtigem Optimismus. Die über Jahre gesammelten Daten bilden eine solide Basis, um gezielte Strategien zu entwickeln. Mecklenburg-Vorpommern hat damit die Chance, im bundesweiten Vergleich eine Vorreiterrolle einzunehmen – vorausgesetzt, das Zusammenspiel von Politik, Wirtschaft und Forschung bleibt auch in Zukunft eng verzahnt.