Deutschland erlebt derzeit tiefgreifende wirtschaftliche Umwälzungen, beeinflusst von globalen Megatrends wie Digitalisierung, Dekarbonisierung und demografischem Wandel sowie akuten Herausforderungen durch hohe Energiepreise. Diese Entwicklungen stellen alle Bundesländer vor Herausforderungen, treffen aber Regionen mit spezifischen Strukturen wie Mecklenburg-Vorpommern auf besondere Weise.
Der Begriff Strukturwandel bezeichnet mittel- und langfristige Veränderungsprozesse, die Berufe, die Wirtschaftsstruktur, die Anforderungen an Qualifikationen sowie Arbeitszeit und -formen betreffen. Aktuell wird dieser Wandel maßgeblich durch die sogenannten Megatrends Nachhaltigkeit (Dekarbonisierung), De-/Globalisierung, Fachkräfteengpass (Demografischer Wandel) und Technologie (Digitale Transformation) beeinflusst.
Hinzu kommen die wirtschaftlichen Folgen externer Schocks, wie sie beispielsweise der Krieg in der Ukraine mit sich brachte, insbesondere durch gestiegene Energiepreise. Diese erhöhten Energiepreise erhöhen die Produktionskosten, können energieintensive Unternehmen gefährden und schwächen durch Inflation die Kaufkraft, was negative Auswirkungen auf diverse Wirtschaftsbereiche haben kann.
Strukturwandel im Nordosten: Eine Region im Vergleich
Mecklenburg-Vorpommern befindet sich im Vergleich zu anderen Bundesländern noch in einem Aufholprozess. Während das Land im Jahr 2024 ein vergleichsweise starkes preisbereinigtes BIP-Wachstum von 1,3 Prozent verzeichnete – entgegen dem Bundesdurchschnitt von -0,2 Prozent –, wird diese Entwicklung laut Statistischem Amt des Landes maßgeblich von wenigen wirtschaftlichen Akteuren getragen und spiegelt nicht die gesamte Breite der Bruttowertschöpfung wider.
Die Analyse des strukturellen Wandels im Arbeitsmarkt zeigt, dass Mecklenburg-Vorpommern im Zeitraum von 1999 bis 2019 eine besonders starke Veränderung der Berufsstruktur im Vergleich zu anderen Bundesländern erlebt hat, nur Sachsen-Anhalt wies einen noch höheren Wert auf. Dies wird als Folge des Transformationsprozesses nach der Wiedervereinigung gesehen.
Für die Zukunft bis 2040 wird erwartet, dass die Verschiebungen zwischen den Berufsfeldern geringer ausfallen. Stattdessen wird der Strukturwandel verstärkt innerhalb der Berufe stattfinden, wobei die auszuübenden Tätigkeiten und die dafür erforderlichen Kompetenzen in den Vordergrund rücken. Dies unterstreicht die wachsende Bedeutung von Aus-, Fort- und Weiterbildung für die Beschäftigten.
Fachkräftemangel und Branchenspezifische Herausforderungen
Ein zentrales Problem, das die wirtschaftliche Entwicklung und die Anpassungsfähigkeit Mecklenburg-Vorpommerns an den Strukturwandel erheblich beeinträchtigt, ist der Fachkräftemangel. Obwohl die gesamtwirtschaftliche Konjunkturflaute die Lage auf dem Arbeitsmarkt regional etwas entspannt hat, bleibt die geringe Verfügbarkeit von Arbeitskräften bundesweit ein Faktor, der die wirtschaftliche Dynamik begrenzt.
In Mecklenburg-Vorpommern verschärft die demografische Entwicklung dieses Problem, was sich beispielsweise im Bauhauptgewerbe zeigt, wo Ende 2024 über 30% der gewerblichen Arbeitnehmer älter als 55 Jahre waren und fast 60% älter als 45 Jahre. Unternehmen halten sich mit Neueinstellungen zurück, dennoch können viele offene Stellen längerfristig nicht besetzt werden.
Besonders in wissensintensiven Dienstleistungen und bei Spitzentechnologieherstellern wird Personal mit Hochschulabschluss gesucht. Dieser Mangel kann dringend nötige Investitionen verzögern und Fortschritte bei der Transformation (Klimaneutralität, Digitalisierung) ausbremsen.
Wichtige Wirtschaftszweige des Landes stehen vor spezifischen Herausforderungen. Die maritime Industrie, als innovativer Sektor mit hohem Qualifikationsniveau, benötigt dringend eine Verbesserung der see- und landseitigen Anbindungen der Häfen, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Auch der Tourismus, eine tragende Säule der Wirtschaft, sieht sich mit sinkender Zufriedenheit konfrontiert, begründet unter anderem durch wachsende Konkurrenz, das Krisenumfeld, Preisdruck und unzureichende Erreichbarkeit.
Im Baugewerbe ist die Lage stark vom Bereich abhängig: Während der Tiefbau dank Infrastrukturmaßnahmen positiv beurteilt wird, leidet der Hochbau unter mangelnder Nachfrage.
Strategien zur Bewältigung des Wandels
Angesichts der Analyseergebnisse wird davon ausgegangen, dass Mecklenburg-Vorpommern in den kommenden Jahren vor noch größeren Herausforderungen bei der Sicherung des Fachkräftebedarfs stehen wird. Das Land hat eine Fachkräftestrategie initiiert, die in Workshops mit Experten aus Wirtschaft, Verbänden und Sozialpartnern erarbeitet wurde.
Wesentliche Empfehlungen beinhalten die Stärkung der beruflichen Bildung, die Verbesserung der Weiterbildung (insbesondere in digitalen Kompetenzen und im Bereich Energiewende), die Intensivierung der beruflichen Orientierung an Schulen (auch Gymnasien) hinsichtlich beruflicher Ausbildungsperspektiven, sowie die vereinfachte Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse und die Gewinnung von Fachkräften von außerhalb. Auch die Förderung von MINT-Fächern wird als wichtig erachtet.
Zusätzlich zur Fachkräftesicherung sind Investitionen in Forschung, Entwicklung und Innovation unerlässlich, um zukunftsorientierte und gut bezahlte Arbeitsplätze zu schaffen. Die maritime Industrie wird hier als Beispiel für einen Sektor mit hohem Potenzial genannt. Die Verbesserung der Infrastruktur, wie der Ausbau der Verkehrskorridore und die Anpassung der seewärtigen Zufahrten zu den Häfen, ist eine elementare Aufgabe der öffentlichen Hand zur Stärkung der maritimen Logistikwirtschaft und damit der Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Region.
Die Bewältigung des doppelten Strukturwandels durch Megatrends und externe Schocks erfordert in Mecklenburg-Vorpommern fortgesetzte Anstrengungen. Die Stärkung der Qualifikationsbasis, die Sicherung von Fachkräften und die Verbesserung der Infrastruktur sind entscheidend, um die Potenziale des Landes auszuschöpfen und seine Wirtschaft zukunftssicher aufzustellen.
Verwendete Quellen:
- https://files.insm.de/uploads/2024/07/20240903_INSM_Pressemitteilung_Bildungsmonitor_Mecklenburg-Vorpommern-1.pdf
- https://doku.iab.de/regional/N/2024/regional_n_0224.pdf
- https://www.iwconsult.de/unser-fokus/
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- https://www.prognos.com/de/projekt/arbeits-und-fachkraeftebedarf-mecklenburg-vorpommern-bis-2030
- https://www.ihk.de/rostock/standortpolitik/konjunktur/konjunktur-mv-jahresbeginn-2025-6458786
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- https://www.abc-bau.de/aktuelles/gemeinsam-gegen-den-fachkraeftemangel
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- https://epale.ec.europa.eu/de/blog/innovative-strategien-gegen-den-fachkraeftemangel-deutscher-fachkraeftepreis
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