Der Arbeitsmarkt in Deutschland wird von mittel- und langfristigen Veränderungsprozessen geprägt, die als Strukturwandel bezeichnet werden. Dazu gehören Veränderungen bei Berufen, Wirtschaftsstrukturen, Qualifikationsanforderungen sowie Arbeitszeit und -formen. Aktuelle Ereignisse wie die Nachwirkungen der Corona-Pandemie und zuletzt der Krieg in der Ukraine haben die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt zusätzlich beeinflusst. Unabhängig davon bleibt der demografische Wandel eine große Herausforderung und der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften wird langfristig wieder zunehmen.
Die bundesweit angespannte Wirtschaftslage macht sich auch auf dem Arbeitsmarkt in Mecklenburg-Vorpommern bemerkbar. Während die schwache Konjunktur die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften aktuell dämpft und der Fachkräftemangel deutschlandweit etwas weniger stark empfunden wird, stellt er weiterhin eine erhebliche Belastung für die deutsche Wirtschaft dar.
Mecklenburg-Vorpommern im Fachkräftemangel-Ranking
Im Jahresdurchschnitt 2023/2024 fehlten in Mecklenburg-Vorpommern 15.284 qualifizierte Arbeitskräfte(Fachkräftelücke). Dies bedeutete, dass durchschnittlich 48,2 Prozent aller offenen Stellen nicht mit passend qualifizierten Arbeitslosen besetzt werden konnten (Stellenüberhangsquote). Im bundesweiten Vergleich lag die Stellenüberhangsquote im März 2024 bei rund 38,7 Prozent aller offenen Stellen, die rechnerisch nicht durch passend qualifizierte Arbeitslose besetzt werden konnten. Die Analysen des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA) des Instituts der deutschen Wirtschaft (iw Köln) zeigen, dass die Fachkräftelücke bundesweit zwar rückläufig ist, aber weiterhin auf hohem Niveau verharrt.
Der Anteil der Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern, der Bedarf an Fachkräften hat, ist zwischen 2010 und 2022 von 30 auf 41 Prozent gestiegen und erreichte damit einen Höchststand. Auch 2023 verblieb dieser Wert auf ähnlichem Niveau, wobei 40 Prozent der Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern einen Fachkräftebedarf meldeten – derselbe Anteil wie in Ost- bzw. Westdeutschland.
Besonders betroffene Berufsfelder und Qualifikationen
Bundesweit betrachtet ist die Stellenbesetzung für Expertinnen und Experten besonders schwierig. Im Jahr 2024 konnten durchschnittlich knapp fünf von zehn offenen Stellen für Spezialist:innen und Expert:innen rechnerisch nicht besetzt werden (45,0 bzw. 45,3 Prozent Stellenüberhangsquote), während es bei Fachkräften mit Ausbildung vier von zehn Stellen waren (35,9 Prozent).
Am häufigsten suchen Unternehmen mit Stellenbesetzungsschwierigkeiten bundesweit erfolglos nach Personal mit einer dualen Berufsausbildung (56 Prozent). Personal mit Weiterbildungsabschlüssen stellt gerade in Industrie und Bau oft einen Engpassfaktor dar. Jedes dritte Unternehmen sucht erfolglos Personal mit einem (Fach-)Hochschulabschluss, wobei dies insbesondere bei Großunternehmen der Fall ist (drei Viertel).
Auch in Mecklenburg-Vorpommern sind bestimmte Berufsgruppen und Qualifikationsniveaus besonders vom Fachkräftemangel betroffen. Laut Daten der Bundesagentur für Arbeit wiesen im Jahr 2023 unter anderem Kraftfahrzeugtechnik, Energietechnik, Bauelektrik, Informations- und Telekommunikationstechnik, Gesundheits- und Krankenpflege sowie Altenpflege einen hohen Fachkräftebedarf auf. Die höchsten Vakanzzeiten sozialversicherungspflichtiger Arbeitsstellen (über 400 Tage im Jahr 2023) wurden in verschiedenen Berufshaupt- bzw. -untergruppen verzeichnet.
Nach Prognos-Berechnungen wird im Jahr 2030 in folgenden Berufshauptgruppen in Mecklenburg-Vorpommern die gravierendste absolute Arbeitskräftelücke (über 2.000 fehlende Arbeitskräfte) vorherrschen: Nichtmedizinische Gesundheits-, Körperpflege- und Wellnessberufe, Medizintechnik (8% prognostizierte Lücke) sowie Verkaufsberufe (4% prognostizierte Lücke).
Obwohl in Mecklenburg-Vorpommern bis 2030 kein „Kipppunkt“ erwartet wird, bei dem mehr beruflich Pflegende in den Ruhestand gehen als Absolvent*innen nachrücken, besteht auch in diesem Bereich ein großer Personalmangel. Die größte Gruppe der Pflegenden in MV ist 55 Jahre alt.
Strukturwandel und Digitalisierung
Der Strukturwandel in Mecklenburg-Vorpommern war im Zeitraum von 1999 bis 2019 besonders stark ausgeprägt. Nur Sachsen-Anhalt wies einen noch höheren Wert bezüglich der Veränderung der Berufshauptgruppen auf. Dieser Wandel zeigt sich unter anderem im Rückgang fachlich ausgerichteter Tätigkeiten (Berufsausbildung) und dem Bedeutungszuwachs hochqualifizierter Tätigkeiten (tertiäre Qualifikation).
Überraschenderweise haben auch Helfer- und Anlerntätigkeiten an Bedeutung gewonnen. Für die Zukunft wird erwartet, dass nur Spezialisten und hoch komplexe Tätigkeiten wachsen werden, während fachlich ausgerichtete Tätigkeiten Rückgänge verzeichnen.
Die Digitalisierung gilt als gesellschaftlicher Megatrend, der weite Bereiche der Arbeitswelt verändern wird. Das Konzept der Substituierbarkeitspotenziale gibt an, welcher Anteil der Kerntätigkeiten in einem Beruf potenziell durch digitale Technologien ersetzt werden könnte.
Mecklenburg-Vorpommern weist im Vergleich zu anderen Bundesländern den geringsten Wert bei der Veränderung des Substituierbarkeitspotenzials in Berufen auf. Dies deutet darauf hin, dass ein hohes Substituierbarkeitspotenzial eher zu Verschiebungen innerhalb eines Berufs führt, als zu einem Berufswechsel.
Strategien zur Fachkräftesicherung
Angesichts der Analyseergebnisse steht Mecklenburg-Vorpommern in den kommenden Jahren vor noch größeren Herausforderungen bei der Sicherung des Fachkräftebedarfs. Das Ministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Tourismus und Arbeit Mecklenburg-Vorpommern hat eine Fachkräftestrategie entwickelt. Maßnahmen zur Arbeits- und Fachkräftesicherung werden in Mecklenburg-Vorpommern weiter an Bedeutung gewinnen.
Die ermittelten Handlungsempfehlungen umfassen:
- Nachwuchskräfte für die berufliche Ausbildung gewinnen.
- Hochschulabsolventinnen und -absolventen im Land halten.
- Menschen ohne Berufsabschluss qualifizieren.
- Eine Weiterbildungskultur etablieren und berufliche Um- und Neuorientierung unterstützen.
- Pendelnde und Rückkehrende zurückgewinnen.
- Zuwanderung aus dem Ausland stärken.
- Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten fördern.
- Standortmarketing ausbauen.
Unternehmen sehen zudem die Notwendigkeit, Beschäftigte von Bürokratie zu entlasten, die berufliche Bildung zu stärken und Anreize zur Arbeitsaufnahme von Arbeitslosen zu stärken. Insbesondere der Abbau von Bürokratie wird von touristischen Betrieben in MV als wesentliche Rahmenbedingung zur Fachkräftesicherung genannt.
Der Fachkräftemangel betrifft viele Branchen, die eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung sowie der Digitalisierung spielen, was Entwicklung und Fortschritt in diesen Zukunftsfeldern gefährdet. Fachkräfte sind auch ein entscheidender Faktor für den Ausbau der Erneuerbaren Energien und Energienetze in Mecklenburg-Vorpommern, wo das Land eine Vorreiterrolle einnehmen möchte.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Mecklenburg-Vorpommern – wie auch der Rest Deutschlands – erheblich vom Fachkräftemangel betroffen ist. Spezifische Herausforderungen zeigen sich in bestimmten Sektoren und Qualifikationsniveaus, wobei die Landesregierung und Akteure der Wirtschaft verschiedene Strategien entwickeln und umsetzen, um diesen Engpässen entgegenzuwirken.
Verwendete Quellen:
- https://doku.iab.de/regional/N/2024/regional_n_0224.pdf
- https://www.regierung-mv.de/static/Regierungsportal/Ministerium%20f%C3%BCr%20Wirtschaft%2C%20Arbeit%20und%20Gesundheit/Dateien/Anlage_1_zur_Fachkr%C3%A4ftestrategie_MV_Analyseergebnisse_und_Beteiligungsproze%C3%9F.pdf
- https://www.prognos.com/de/projekt/arbeits-und-fachkraeftebedarf-mecklenburg-vorpommern-bis-2030
- https://www.regierung-mv.de/Landesregierung/wm/Arbeit/Fachkraeftestrategie-MV/
- https://epale.ec.europa.eu/de/blog/innovative-strategien-gegen-den-fachkraeftemangel-deutscher-fachkraeftepreis
- https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/KOFA_kompakt_und_Studien/2025/KOFA_Kompakt_02-2025_Jahresr%C3%BCckblick_2024.pdf
- https://www.kofa.de/media/Publikationen/Laendersteckbriefe/Mecklenburg-Vorpommern.pdf
- https://www.ifo.de/fakten/2025-02-17/konjunkturflaute-entschaerft-fachkraeftemangel
- https://www.abc-bau.de/aktuelles/gemeinsam-gegen-den-fachkraeftemangel
- https://www.regierung-mv.de/Aktuell/?id=204239&processor=processor.sa.pressemitteilung
- https://www.dihk.de/resource/blob/127242/6ffb666cfa53e926e07b3cf91d5d021f/fachkraefte-dihk-report-fachkraeftesicherung-2024-2025-data.pdf
- https://www.ihk.de/rostock/servicemarken/branchen/maritime-wirtschaft/kernbotschaften-3594796